Methode

Grundlagen der Methode

Die Heileurythmie/Eurythmietherapie ist eine selbstaktivierende Bewegungstherapie, die zu den wichtigsten Behandlungsmethoden der die Schulmedizin erweiternde Anthroposophischen Medizin zählt. Ihre moderne ganzheitliche Betrachtungsweise des Körper-Seele-Geist-Zusammenhangs beim Menschen bildet die Grundlage der Therapie.

Heileurythmie/Eurythmietherapie hat viele unterschiedliche Wirkmöglichkeiten, darunter die Regulation der Stoffwechsel- und Nerven-Sinnes-Prozesse und die Harmonisierung der Herz-Kreislauftätigkeit. Alle Organfunktionen können durch die Übungen gezielt angeregt und korrigiert werden. Ihre Basis bilden die physiologischen Grundlagen von Sprache und Musik im menschlichen Organismus.  Durch das Üben verbessert sich die Körperwahrnehmung, Koordination und Geschicklichkeit, was zu Entspannung oder Belebung und dadurch zu einer individuellen inneren Ausgeglichenheit führt.  Dieser systemische Ansatz leitet die Patientin/den Patienten zu den körpereigenen Kraftressourcen als Grundlage der Gesundheit.

Idealerweise kooperieren Arzt und Heileurythmist/Eurythmietherapeut, jedoch erlaubt die spezifisch-medizinische Ausbildung zur Heileurythmist/Eurythmietherapeut ein selbstständiges Arbeiten. Neben einer die Diagnose des Arztes ergänzenden Befunderhebung bildet die Bewegungsdiagnose die Basis der Therapiefindung.

Der Facettenreichtum der Heileurythmie/Eurythmietherapie ist immer ganzheitlich ausgerichtet. Geübt werden das Erleben der Bewegung und darin die Aufmerksamkeit „bis in die kleinste Zehenspitze“. Es handelt sich um spezifische Bewegungen des Körpers, insbesondere der Arme und Beine, bis hin zu Sprüngen, auch ausgeführt mit Temposteigerung oder gezielter Verlangsamung, ergänzt durch Rhythmusübungen und Bewegungsmeditationen. Anders als bei vergleichbaren Bewegungstherapien muss hier für die korrekte Übungsausführung die physische Bewegung seelisch und intentional aktiv mitgestaltet werden. Auf diese Weise werden pathologische Abläufe im Organismus in eine neue, gesunde Ordnung geführt. Durch die aktive Gestaltung des Patienten wird so die Symptomatik nicht von außen verändert, sondern der Patient selber muss willentlich und bewusstseinsmäßig an der Veränderung zur Gesundheit hin mitarbeiten. So wird zusätzlich die Selbstwirksamkeit gestärkt und eine Veränderung der Lebensführung aktiviert. Hier finden Sie die Arbeitsschwerpunkte der Eurythmietherapie.

Patienten mit entsprechenden körperlichen Beeinträchtigungen werden häufig im Sitzen oder Liegen behandelt > siehe Praxisfelder. Eigenes Üben, zu dem in den Behandlungseinheiten systematisch angeleitet wird, und die Nachruhe bilden einen integralen Bestandteil der Therapie: das Gelernte soll über das selbstständige Üben zuhause und die anschließende Ruhephase integriert werden. Das therapeutische Setting selber ist ein interaktiver Prozess, der einerseits an das Autonomiebedürfnis des Patienten und gleichzeitig an sein Bedürfnis nach Geborgenheit und Verständnis anschließt mit dem Ziel, dass der Patient sich sein Heilmittel selber bildet und aneignet.
Lesen Sie hier mehr zur Behandlung.

Arbeitsschwerpunkte Heileurythmie / Eurythmietherapie

Mit der Heileurythmie/ Eurythmietherapie behandeln wir ein weites Spektrum von Erkrankungen bzw. Krankheits-Symptomen in allen Lebensaltern entsprechend den CARE-Themen Anthroposophische Medizin. Die folgende Aufstellung soll eine grobe Übersicht geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Erfolge – und sei es „nur“ die Verbesserung der Lebensqualität werden häufig bei schulmedizinisch austherapierten oder seltenen Erkrankungen erzielt. Besprechen Sie Ihr Anliegen in jedem Fall mit Ihrer Heileurythmist/Eurythmietherapeut oder Ihrer anthroposophisch orientierten Arzt. Die Adressen stellen Ihnen die internationalen  Berufsverbände gern zur Verfügung.

CARE-Gebiete

CARE I

Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindheit. Leben mit Behinderung. Hier insbesondere:

  • Geburtsvorbereitung und Rückbildung
  • Wochenbettbegleitung (vor allem in der Klinik)
  • Behandlung von Kindern mit Integrations-Status (Kinder mit Behinderung oder besonderem Förderbedarf)

CARE II

Umgang mit Fieber und Infektionserkrankungen vor dem Hintergrund der antimikrobiellen Resistenz (Atemwegserkrankungen, Harnwegsinfekte). Hier insbesondere:

  • Allergien
  • Chronische und rezidivierende Infektionserkrankungen

CARE III

  • Schlafstörungen, häufige Formen von Angst- und depressiven Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen, ferner:
  • Stress/Burnout/Erschöpfungssyndrome in Behandlung und Prophylaxe

CARE IV

Onkologie. Hier insbesondere:

  • Cancer related fatigue
  • Generelle Begleittherapie

CARE V

Palliativmedizin, Schmerztherapie, Begleitung des sterbenden Patienten

Weitere Arbeitsschwerpunkte

  • Augenheilkunde (Ophtalmologie)
  • Frauenheilkunde (z.B. Zyklusstörungen, Wechseljahrsbeschwerden)
  • Geriatrie (auch: Seniorenfitness (z.B. zur Sturzprophylaxe, auch Altersdepression)
  • alle Fachgebiete der Inneren Medizin (z.B. Rheumatologie, Diabetologie, Gastroenterologie, Kardiologie, Pneumologie
  • Krankheitsprophylaxe und Gesundheitsvorsorge (z.B. Rücken-, Bluthochdruck-, Brunout-Prophylaxe)
  • Neurologie (z.B. Migräne, Tinnitus, Schwindel)
  • Onkologie (siehe oben)
  • Orthopädie (z.B. Wirbelsäulenprobleme, Haltungs- und Bewegungsstörungen)
  • Pädiatrie (z.B. kindliche Entwicklungsstörungen und Auffälligkeiten)
  • Psychiatrie (z.B. Persönlichkeitsstörungen, auch: Suchterkrankungen wie Alkohol- oder Substanz-Abusus, Essstörungen)
  • psychosomatische und psychische Erkrankungen (z.B. PTBS, Erschöpfungssyndrome)
  • Rehabilitation (z.B. nach Schlaganfällen, Herzinfarkten, Tumorerkrankungen)
  • Urologie
  • Zahnstellungsanomalien und Kieferorthopädie

Für Patienten

Patienteninformationen zur Heileurythmie / Eurythmietherapie

Heileurythmie/Eurythmietherapie wird in verschiedenen Praxisfelder angeboten:

Klinik: Einige Kliniken ermöglichen die Teilnahme an anthroposophischen Therapien. Der Heileurythmist/Eurythmietherapeut führt die Therapie in einem entsprechenden Therapieraum oder auch im Patientenzimmer durch, manchmal sogar im Bett am liegenden Patienten. Mehr: Anthro-Kliniken

Kindergarten und Schule: Die Arbeitsweise in den Einrichtungen ist sehr individuell organisiert. Nicht alle Einrichtungen können Heileurythmie/Eurythmietherapie anbieten.

Heilpädagogik und Sozialtherapie: In anthroposophisch geführten heilpädagogischen Schulen und Heimen ist die Heileurythmie/Eurythmietherapie oft, aber nicht immer ein integraler Bestandteil der Betreuung und wird meist in Einzel-Therapie durchgeführt. Mehr: Inclusivesocial

Gesundheitskurse: dienen vor allem der Prävention von Krankheiten, aber auch dem allgemeinen Wohlbefinden. Beliebt sind die Angebote in Kleingruppen z.B. zu den Themen Rückengesundheit, Blutdruck, Erschöpfung, Burn-out, Stressmanagement oder zur allgemeinen Alltagsfitness, z.B. bei Senioren.

Ihr Arzt hat Ihnen Heileurythmie/Eurythmietherapie verschrieben oder Ihnen wurde Heileurythmie/Eurythmietherapie empfohlen. Im Folgenden finden Sie ein paar grundlegende Informationen zum Behandlungssetting. Wir machen darauf aufmerksam, dass es sich hier um allgemeine Angaben handelt, die dem individuellen Zusammenhang nicht immer gerecht werden können.

Dauer: in der Regel dauert eine Behandlungseinheit 30 Minuten zzgl. einer Nachruhezeit, die dazu dient, das neu Erlernte zu integrieren. Manche Therapeuten bieten einen separaten Ruheraum an, andere nutzen die Zeit für die Dokumentation, während Sie abgeschirmt im selben Raum ausruhen können.
Ärzte verschreiben etwa 6-12 Einheiten, die meist 1mal pro Woche stattfinden. Heileurythmie/Eurythmietherapie kann auch ohne Verschreibung in Anspruch genommen werden.

Kosten: Die Berufsverbände der jeweiligen Länder geben Kostenempfehlungen, die sich häufig an den Erstattungsmodalitäten der Krankenkassen orientieren.

Therapeuten: Listen mit Therapeuten in jedem Land hält der jeweilige Berufsverband bereit. Einige Therapeuten führen das internationale Gütesiegel anthromed.

Kleidung: Bequeme Alltagskleidung, in der Sie sich wohl fühlen ist angebracht. Sie benötigen keine Sportbekleidung. Zu enge Bekleidung kann die Bewegungsfreiheit einschränken. Einige Therapeuten halten Gymnastikschläppchen (Eurythmieschuhe) in allen Größen bereit, andere werden Sie bitten, Ihre eigenen mitzubringen. Sonst sind die Rutschfeste Strümpfe auch geeignet, barfuß oder feste Schuhe sind weniger gut.

Allgemeines Setting: In der Regel führt der Therapeut ein kurzes Anamnese-Gespräch, ergänzt durch eine Bewegungsdiagnose. Aus beidem leitet sich das Therapieziel und ein Behandlungskonzept ab. Vielfach rahmen Anfangsübungen (warm-up) und eine Abschlussübung die sogenannten Hauptübungen ein, die für gewöhnlich stehend oder sitzend ausgeführt werden. In einigen Praxen werden Sie gebeten, aus Dokumentationsgründen einen Patientenfragebogen auszufüllen. Manchmal sind diese Patientenfragebögen Bestandteil einer anonymen Befragung im Rahmen einer Studie. Darüber werden Sie jeweils im Vorhinein entsprechend informiert.

Übungen: Es handelt sich um Bewegungen, die mit den Armen und den Beinen ausgeführt werden. Dazu kommen auch Sprünge und rhythmische Übungen, die teilweise von Gedichten, Sprüchen und musikalischen Elementen begleitet werden. Bewegungsmeditationen können in die Behandlung einfließen.

Individualität im Behandlungsprozess: Die Therapieeinheiten werden in der Regel abgestimmt auf die individuellen Voraussetzungen des Patienten, seine Bewegungsmöglichkeiten und allgemeinen Umstände.

Materialien: Kugeln, Rollen, Stäbe aus Kupfer sind wichtige Hilfsmittel in der Heileurythmie/Eurythmietherapie- Praxis. Auch Kugeln aus Gold, Silber, Eisen und Blei oder unterschiedlichen Holzsorten finden ihre Anwendung. Ferner werden weiche Bälle, Seidentücher, Balancierkissen oder -Balken insbesondere bei der Behandlung von Kindern eingesetzt.

Üben zuhause: Bei der Heileurythmie/Eurythmietherapie handelt es sich um eine selbstaktivierende Bewegungstherapie. Somit ist das eigenständige Üben zuhause ein integraler Bestandteil des Heilungsprozesses. Vom Therapeuten werden Sie zur Ausführung der Übungen entsprechend angeleitet.

Historie

1911/1912 entwickelt Rudolf Steiner mit seiner ersten Schülerin Lory Mayer-Smits die Eurythmie als neue Bewegungskunst. Bereits im Rahmen des 2. Eurythmiekurses im Herbst 1912 in Bottmingen formuliert Steiner erste kurative Angaben zu bestimmten Übungen. 1920/21 erkennen aus dem Kreis der ersten Eurythmistinnen Elisabeth Baumann-Dollfuß und Erna van Deventer-Wolfram ein eurythmisches Element in einem naturwissenschaftlichen Vortrag Rudolf Steiners, was zu der Frage an Steiner führt, ob es nicht eine therapeutische Eurythmie geben könne. Steiner greift die Frage auf und entwickelt die Heileurythmie im Rahmen des 2. Ärztekurses im April 1921 mit dezidierten Angaben zu Wirksamkeit und Anwendung der Laut-Gebärden. Als entscheidend arbeitet Steiner bereits im ersten Vortrag die modifizierte Ausübung der bekannten Eurythmiegebärden für die Heileurythmie heraus. Im Juni desselben Jahres eröffnet Ita Wegman ihre Klinik in Arlesheim. Dort wohnt Steiner immer wieder Visiten bei und regt für einzelne Patienten bestimmte heileurythmische Übungen an. Neben Julia Bort führt Margarete Kirchner-Bockholt Heileurythmie in der Klinik durch. Ihrer Sorgfalt sind die Niederschriften aus dieser Zeit zu verdanken, die heute neben den zuvor gehaltenen Vorträgen, späteren über Heilpädagogik und diversen Angaben im Rahmen der Lehrerkonferenzen der ersten Waldorfschule die Basis der heileurythmischen Arbeit bilden und seitdem kontinuierlich in der Zusammenarbeit von Ärzt*innen und Heileurythmist*innen weiterentwickelt werden. Ab 1924 entstehen erste Ausbildungskurse in Heileurythmie. Diese reifen über die Jahrzehnte zu Ausbildungsprogrammen:

2021/2022 – Bunte Vielfalt der Heileurythmie /Eurythmietherapie

Jeden zweiten Monat werden wir in dieser Vielfalt-Rubrik die Heileurythmie-Arbeit aus verschiedenen Ländern und Gebieten vorstellen. Damit möchten wir die Fülle der Heileurythmie/Eurythmietherapie in die Sichtbarkeit bringen.